Vorbereitungen

Die Chemie stimmt, die Spannung steigt. Vorbereitungstreffen in Berlin für den vierwöchigen Stipendienaufenthalt von Marion Poschmann, Hendrik Jackson und Jörg Albrecht in Kaliningrad-Königsberg. Am 23. April 2013 geht es ab in die Ostseemetropole. Die drei haben sich vorgenommen, ihre Annäherung an die Heimatstadt Hamanns und Kants auf diesem Blog zu dokumentieren. Texte, Fotos, Videos, Sounds — alles ist möglich beim literarischen Projekt “Fremde | Spuren | Lesen” der Magus Tage Münster 2013 (www.magus-tage.de). Und wer will, ist herzlich eingeladen, die Einträge der Schriftsteller zu kommentieren.
Susanne Schulte

Reisevorbereitungen

Seit einer Woche bin ich dabei, mich auf Kaliningrad vorzubereiten, das heißt: ich versuche noch alle Bücher zu lesen, die grundlegend und unausweichlich, aber für den Koffer zu schwer sind. Effekt: Sofort beginnt das innere Feilschen, könnte nicht noch dieser Bildband mit, die Anthologie der vergangenen Magus-Tage scheint zwar schwer, aber wichtig – es ist also wie immer, je mehr Informationen man aufnimmt, desto mehr glaubt man noch zu benötigen.

Was physisch nicht viel wiegt, wovon ich mir aber einiges verspreche, ist die sogenannte Überlagerungskarte, der Stadtplan von 1931 und heute in „vergleichbarer Darstellung“, wobei „heute“ 2010, 2011 oder 2012 bedeutet, und hiermit beginnen bereits die Unsicherheiten.

Vorbereitungen

“Aus Mangel eines solchen Plans, und daß man nicht hinlänglich über seinen Gegenstand nachgedacht hat, findt sich ein witziger Kopf in der Verlegenheit, selbst nicht zu wissen, wo er den Anfang hernehmen soll. Er bemerkt ein Gewühl von Ideen; weil er selbige aber weder verglichen noch geordnet hat, so bleibt er in seiner Wahl unentschlüßig, und gleichsam im Gedränge stecken.” (J.G. Hamann, S.421 Bd 4 der Werke hrsg. v. Nadler)

Also nähert sich die Stadt mir recht ungeordnet, aber zunehmend dichter. Hinweise und Spuren bereits vor der Abreise. Gestern bei einem Abendessen mit dem russischen Schriftsteller Bitow bei dem Gastgeber (und Dichter) Ryvkin sagte mir eine russische Dramatikerin: Königsberg? E.T.A. Hoffmann hat mich verdorben, verdrehte die Augen vielsagend und seufzte.  Erst da fiel mir ein, dass der so fantastische E.T.A. Hoffmann ja ein echter Königsberger war. Ich hatte erst kurz vor dem besagten Abendessen die neue Ausgabe von Sinn und Form erworben, darin einige “Miniaturen aus Königsgrad und Kalininberg” von K. Ferentschik (der mit diesem Titel gleich die Klippe benennt, die es zu umschiffen gilt. Aus welcher Stadt schreiben wir denn jetzt?)

Jede Miniatur ist einer Persönlichkeit gewidmet: Gleich der erste Eintrag zu Kater Murr und seinem Denkmal, Ferentschik bemängelt die Dürftigkeit des Hoffmann-Denkmals, etwas abseits gelegen, zu dem er sich allabendlich gesellt. Dann der Hoffmann-Freund Hippel (verliebt in eine 9-Jährige), Gottsched (machte sich aus dem Staub), Donelaitis (litauischer Nationaldichter), Simon Dach (hier muß ich gestehen, dass ich diese “Gedichtfabrik”, wie Ferentschik ihn nennt, nur vom Namen kannte, aus dem Friedrichshain: Simon-Dach-Strasse, Ballermann der alternativen Berlin-Touristen … also auch von dort führt es uns nach Königsgrad), Münchhausen, Richard Wagner (Königsberger Schuldenmeister), Lenin (versiegelter Zug), Alexej Leonow (der erste freischwebende Kosmonaut, sank schließlich auf Kaliningrad nieder).

An Hamann hat er natürlich nicht gedacht! Das holen wir nach. Gruppieren wir die Persönlichkeiten des Königsberger und Kaliningrader Lebens einfach um ihn wie um einen Brunnen auf mittelalterlichen Gemälden.

Home          21. April 2013