Der Park, die Gartenanlage war von Beginn an gedacht als Abbild des
Paradieses, als irdisches Elysium, und auch heute noch zeigt sich am
Park die jeweils gültige Utopie. Was läßt sich unter dieser Prämisse
aus den Parks in Insterburg ablesen? Aus den heruntergekommenen kleinen
Grünanlagen im Zentrum mit ihren grasüberwucherten Rabatten, rostigen
Turnstangen und zerdrückten Abfallkörben? Und was aus den gepflegten
großräumigen Rasen daneben, den neu gepflasterten Wegen, exakt geschnittenen
Hecken, den glänzend polierten Granitflächen des Kriegerdenkmals?
In diesem Ort sind die Toten wichtiger als die Lebenden.


Archiv für den Tag 28. April 2013
Die Gegenwart der Dinge in Chernyakhovsk [Ex-Insterburg]
Sinne und Leidenschaften reden und verstehen nichts als Bilder. In Bildern besteht der ganze Schatz menschlicher Erkenntniß und Glückseligkeit. […] Es werde Licht! hiermit fängt sich die Empfindung von der Gegenwart der Dinge an.
[Hamann, Aesthetica in nuce]






Vergangenes
Wieviel Vergangenheit liegt in der Gegenwart. Das scheint in
Königsberg die zentrale, alles überschattende Frage zu sein. Wie
selbstverständlich wird einem hier ein leerer Platz gezeigt mit den
Worten “hier Kirche!”. Wo? Es war einmal …
Ein Film (Vaterlandsverräter”) über einen Schriftsteller, der 20 Jahre
für die Stasi arbeitete, um ihr dann den Rücken zu kehren, passt dazu,
gezeigt auf einem kleinen Festival in der Stadt. Zwei verblüffende
Erkenntnisse: 1) Die Stasiberichte von damals haben einen
Erkenntniswert, der heutzutage dem von Facebookeintragungen gleicht 2)
Es ist der Verrat und die Kleingeistigkeit, die schmerzt. Der Verrat
durch Zusammenarbeit mit widerwärtigen Kleingeistern. Dass diese
Menschen regieren durften, sie (Offiziere) sitzen jetzt in
irgendeiner Wohnzelle im Osten Berlins und suhlen sich in ihrer
Mickrigkeit. In Russland haben sie Karriere gemacht und werden womöglich
Präsident. Zwei “Kollegen”.
Wieviel Vergangenheit muss überhaupt sein? Ich sehe Gespenster.
Gespenster von Häusern, Kirchen, Menschen. Gespenster von Ideen,
Wünschen, Bildern, die durch den Verfall hindurchschimmern.
Ein starkes Bild: die verkohlten Felder, überall. Warum? “Russische
Tradition”. Es gibt in diesen Gefilden einen Hang zum Zerstörerischen,
scheint mir.
Da kommt tatsächlich die Sehnsucht nach kantscher Ordnung, deutscher
Gewissenhaftigkeit, Strukturen auf, die etwas bewahren, halten, echte
Geschichte ermöglichen, nicht nur Protokolle der Vernichtung und der
Sehnsucht verzeichnen. Das hätte ich mir auch nicht träumen lassen.
Nun träum ichs kurz. Und wir fahren nach Tschernjachowsk (Insterburg)
“Der Abend geht in diese Stadt
auf schwarzen Stelzen des Ostens
So kommen Pest und Hunger
mit Winseln und Wiehern, wilder Strom
der tatarisch-polnischen Kavallerie (…)
Stadt, deren Spatzen
schwarz-geschwärzt sind vom Ruß”
(aus: Predely – Boris Bartfeld, eine “schnelle” Übersetzung, ich bitte um Verständnis!)